„Geocentric Crowdsourcing“ und „Kollaborative Verwaltung“ – Was leisten Anliegenmanagements?

Logo des Maerker Brandenburg Wie jeden Abend fahre ich von der Boxhagener Straße kommend unter der S-Bahn-Brücke hindurch und auf die Marktstraße rauf, wo mich das grüne Bezirkseingangsschild „Lichtenberg“ begrüßt. Das bedeutet für mich: Sobald jetzt etwas im öffentlichen Raum nicht „in Ordnung“ ist (ich denke da an eine kaputte Straßenlaterne, ein beschmiertes Schild, eine ausgefallene Ampel,…), kann ich das Problem direkt an die zuständige Verwaltung melden – und ein paar Tage später kann ich davon ausgehen, dass das Problem behoben wurde ( Serviceversprechen des Bezirks ). Denn Lichtenberg ist seit Oktober 2011 das erste Berliner Mitglied des Maerker B randenburg .

Der Maerker ist ein Beispiel eines für Geographen besonders spannenden Bürgerbeteiligungsformates, das man als transparentes Anliegenmanagement bezeichnen kann. Die Idee dahinter: Die Bewohner vor Ort, die sich jeden Tag im öffentlichen Raum aufhalten, sind die besten „Melder“ für Missstände: Sie sehen als erstes, dass ein Schild beschmutzt wurde; sie fühlen sich als erstes unsicher, wenn abends eine Laterne nicht brennt. Über eine Internetplattform können sie diese Missstände melden und diese Eingabe wird dann an entsprechende Stellen der jeweiligen Verwaltung weitergeleitet. Die Verwaltung verpflichtet sich dann, so das Maerker-Serviceversprechen, innerhalb von drei Arbeitstagen sich mit den Eingaben zu beschäftigen und auf der Plattform ein Feedback zu den Problemen zu geben. Somit sind sowohl Meldungen als auch Feedback für alle Bürger online sichtbar. Die am häufigsten gemeldeten Probleme sind in der Regel Verkehrsprobleme, wilde Mülldeponien, Graffiti oder verlassene Fahrzeuge (siehe Schirsner, Brandenburger Innenministerium bei YouTube   und King & Brown: 2007 ).

In der Literatur gibt es für dieses Format der Beteiligung verschiedenste Bezeichnungen – interessant finde ich den Begriff „ Geocentric Crowdsourcing “ von Erickson 2010 , der betont, dass das verbindende Element bei diesem zeitlich kontinuierlichen und räumlich spezifischen Prozess der Wissensgenerierung eben genau die Geokomponente darstellt. Eine andere Perspektive bietet der Begriff „ Kollaborative Verwaltung “ ( Hilgers, S.3 ) – dieser kommt nicht aus der Bottom-up Idee des Crowdsourcings, sondern mehr aus der Weiterentwicklung von Verwaltungen hin zu mehr „Open Government“ und unterstreicht den Aspekt „Kollaboration“ von Bürgern und Verwaltungen, z.B. über ein Online-Anliegenmanegement. Der Maerker Brandenburg ist dabei eher ein Beispiel für „Kollaborative Verwaltung“ – andere Anliegemanagements entstammen dabei eher der Bottom-up Idee, des „Geocentric Crowdsourcings“.

Hier eine kleine Zusammenstellung weiterer transparenter Anliegenmanegements.

  • FixMyStreet ist einer der bekanntesten Anliegenmanagements, das in Großbritannien im Februar 2007 online gegangen ist. Es dient als DER Inbegriff für Anliegemenmanagements vielen anderen Projekten als Beispiel, (auch technisch: denn der Code ist Open Source und kann übertragen und weiterentwickelt werden) wird aber auch kritisiert, z.B. aufgrund der verbesserungsfähigen Integration in den Verwaltungsprozess   ( Erickson 2010 , King & Brown: 2007 ). Interessant auch der Kommentar von Helmut Semmet , Brandenburger Innenministerium zum Vergleich FixMyStreet & Maerker Brandenburg: „Das britische Projekt passt nicht auf die deutsche Verwaltungswirklichkeit. Wir haben viel mehr Akteure und Zuständigkeiten, die man berücksichtigen muss.“
  • Mark-a-Spot ist eine installierbare Webapplikation, die potentiell für verschiedene „Anliegen“ eingesetzt werden kann. Hier steht also nicht die EINE Anwendung im Vordergrund, sondern das Wissen darum, dass raumspezifisches Crowdsourcing in verschiedensten Anwendungsfeldern möglich ist. Beispiele von Mark-a-Spot sind die Klimawerkstatt Essen und ein Anliegenmanagement in Schwäbisch-Gmünd . Weitere Infos: Kreis 2010 , Winter 2010 Mark-a-Spot 2012
  • Unortkataster Köln ist ein im Frühjahr 2007 gestartetes Projekt der Kunsthochschule für Medien Köln. Eine Besonderheit des Unortkatasters im Vergleich zu klassischen Anliegenmanagements à la FixMyStreet, ist es, dass nicht kurzfristig abzuschaffende Mängel im Mittelpunkt der Meldungen stehen sollen, sondern Werte und Meinungen der Bürger zu abstrakteren und komplexeren Themen wie Infrastruktur und Architektur im öffentlichen Raum ( Berg, Göllner, Trogemann: 2008 ). Nicht sichergestellt ist dabei allerdings der Umgang mit den eingehenden Meldungen in die Verwaltung oder an andere Akteure der Stadtentwicklung.
  • Andere, ähnlich gelagerte Angebote sind z.B.: Reparier-meine-Straße , FillThatHole , SeeClickFix , Mängelmelder , Frankfurt Gestalten , Everyblock , FixMyStadt , FixMyTransport (to be continued…)


Maerker Brandenburg: Risiken und Nebenwirkungen? E-Demokratie: Folge 5.2

Aus meiner Sicht wurde im Gedanken des geozentrierten Crowdsourcings und in der geozentrierten Bürger-Verwaltungs-Kollaboration bereits sehr viel erreicht , wenn man es mit dem klassischen öffentlichem Beschwerde- und Meldewesen vergleicht. So werden durch die Online-Anliegenmanagements Probleme des öffentlichen Raums auch öffentlich sichtbar und diskutiert – das allein ist schon ein Wert an sich, bedenkt man die klassische „Block Box“, die vorher vorherrschte. Öffentlich wird auch – zumindest in sehr verwaltungsnahen Angeboten wie dem Maerker Brandenburg – das Feedback der Verwaltungen an den Bürger. Auch die Reaktion der Verwaltungsseite wird somit öffentlich, was einen großen Imagegewinn der Verwaltung zur Folge haben und z.B. negativen Presseberichten über langsame Verwaltungsprozessen entgegenstehen kann ( King & Brown: 2007, S.77 ). Sowohl die Bottom-Up Projekte, als auch die Top-Down Projekte haben aus meiner Sicht ihren Wert in diesem Prozess. Vorstöße wie FixMyStreet setzen die Verwaltungen öffentlich unter Druck sich bürgernah und effizient um Probleme des öffentlichen Raums zu kümmern. Der Maerker Brandenburg kann es dagegen eher schaffen das gegenseitige Vertrauen zwischen Bürgern und Verwaltung zu stärken. Nicht zu vergessen ist auch der Effizienz-Aspekt des generierten lokalen Wissens – letztendlich werden die Probleme im öffentlichen Raum schneller und effizienter gelöst, indem das „Wissen der Vielen“ genutzt wird. Wie die Entwicklung weiter gehen wird? Meine Prognose: Die Anzahl solcher Angebote wird rasant steigen, die Bekanntheit wird größer, sie stellen eine „Normalität“ im städtischen Leben dar, die Anwendungsfelder werden breiter, die Bedienbarkeit wird besser, mobile Anwendungen werden immer mehr angeboten, und und und.

In naher Zukunft hoffe ich nun sehr den Maerker Lichtenberg auch selber zu nutzen – ich warte nämlich immer noch sehnsüchtig auf das erste „meldenswerte“ Schlagloch in der Marktstraße. Aber das nächste Tauwetter kommt bestimmt…

2 Gedanken zu “ „Geocentric Crowdsourcing“ und „Kollaborative Verwaltung“ – Was leisten Anliegenmanagements?

  1. Liebe Maria! Mir gefällt Deine Herangehensweise, und ich sage nnur: Weiter so! Leider habe ich ein kleines Problem mit den englischsprachigen Fachausdrücken. Was bedeutet es, fragt der deutsche Leser. Beste Grüße!

  2. Pingback: Geocentric Crowdsourcing und kollaborative Verwaltung | Mark-a-Spot - Anliegenmanagement

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

Gravatar
WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Log Out  /  Ändern  )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Log Out  /  Ändern  )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Log Out  /  Ändern  )

Verbinde mit %s