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26. Februar 2025schwäbische Zeitung | Seite 3 | am 21.11.2023 | Albstadt | Eine Trauerkapelle für Hunde und Katzen | Haustiere sind für viele Menschen vollwertige Sozialpartner. Nach deren Tod möchten sie würdig Abschied nehmen. Auf der Schwäbischen Alb können sie das bald in der ersten „Tierbestattungskapelle“ Deutschlands. Die Kirchen sind distanziert.
Eine Trauerkapelle für Hunde und Katzen
schwäbische Zeitung am 21.11.2023 | SEITE DREI
Von schwäbische Zeitung – Autor Ludger Möllers – © 21.11.2023
Donnerstag, 07.11.2021, 10:03
Haustiere sind für viele Menschen vollwertige Sozialpartner. Nach deren Tod möchten sie würdig Abschied nehmen. Auf der Schwäbischen Alb können sie das bald in der ersten „Tierbestattungskapelle“ Deutschlands. Die Kirchen sind distanziert.
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schwäbische Zeitung | Seite 3 | am 21.11.2023 | Albstadt | Eine Trauerkapelle für Hunde und Katzen | Haustiere sind für viele Menschen vollwertige Sozialpartner. Nach deren Tod möchten sie würdig Abschied nehmen. Auf der Schwäbischen Alb können sie das bald in der ersten „Tierbestattungskapelle“ Deutschlands. Die Kirchen sind distanziert.
Der Tod kam plötzlich und unerwartet: Atlas, ein siebenjähriger Polizeihund, wachte eines Morgens nicht mehr auf. Noch am Tag zuvor hatte der Rüde seinen Dienst absolviert, war im Kampf gegen Drogendealer erfolgreich gewesen. Dann das Aus.
„Auch für diese Fälle bieten wir Trauerfeiern an“, sagt Ellen Weinmann, „denn der Polizeihundeführer, seine Familie, die Kollegen wollen sich doch von dem Hund, mit dem sie zusammen gelebt und gearbeitet haben, würdig und in Ruhe verabschieden.“
Weinmann, die seit einigen Jahren als Tierbestatterin arbeitet, kann die Trauergemeinde bald in einen Raum einladen, der für eine Abschiedsfeier groß und würdig genug ist: die ehemalige Pauluskirche der evangelisch-methodistischen Gemeinde in Albstadt-Pfeffingen auf der Schwäbischen Alb. Deutschlands erste Tierbestattungskirche soll Anfang Dezember eröffnet werden.
34,4 Millionen Haustiere unter deutschen Dächern
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: In den deutschen Haushalten lebten im Jahr 2022 rund 34,4 Millionen Haustiere unterschiedlichster Arten. Im Vergleich zum Jahr 2007 wuchs die Zahl der Haustiere unter deutschen Dächern um rund 11,2 Millionen Tiere an.
Katzen stellen dabei mit rund 15,2 Millionen Tieren das beliebteste Haustier der Deutschen dar. Mit einem Hund leben derzeit 12,5 Millionen Menschen in der Bundesrepublik. Etwa 1,5 Millionen Tiere sterben nach Angaben des Bundesverbands der Tierbestatter (BVT) pro Jahr.
Davon werde rund die Hälfte auf Privatgrundstücken beerdigt. Ein Großteil werde in Krematorien verbrannt. Etwa 10.000 Hunde und Katzen werden den Angaben nach auf einem Tierfriedhof beigesetzt.
Tiere sind für viele Menschen heute Familienmitglieder: Menschen und Tiere bilden eine Lebensgemeinschaft, in der die Tiere eine besondere Rolle einnehmen.
Rainer Hagencord
Die christlichen Kirchen meiden derzeit noch die Durchführung religiöser Tierbestattungen ‐ wenn es auch keine lehramtlichen Stellungnahmen dagegen gibt, sagt Michael Rosenberger, Professor für Moraltheologie an der katholischen Privatuniversität Linz.
Als im Sommer 2011 der evangelische Pfarrer Jens Feld in einem Buch den Vorschlag machte, christliche Tierbestattungen anzubieten, erntete er von Seiten beider großen Kirchen in Hessen heftigen Widerspruch. Tiere hätten zwar eine Würde, ihr Tod erzeuge Trauer bei den zugehörigen Menschen.
Das spreche für eine seelsorgliche Begleitung der Menschen, nicht jedoch für ein Begräbnis der Tiere, so die Pressestelle des Bistums Limburg, denn das Begräbnis stelle das Personsein des Menschen in den Mittelpunkt, und Personen seien Tiere nicht, „weil sie nicht selbstbestimmt und frei handeln und entscheiden können.“
Wohn- und Erlebensgemeinschaften über Jahrzehnte
Hunde und Katzen begleiten ihre Besitzer oft zehn, 15, in seltenen Fällen auch 20 Jahre. Sie entwickeln sich mit ihren Besitzern zu vollwertigen Sozialpartnern, mitunter, wie bei Polizeihund Atlas und seinem Diensthundeführer, zu echten Teams, fast immer zu Wohn- und Erlebensgemeinschaften.
Der katholische Priester und Zoologe Rainer Hagencord beschäftigt sich seit Jahrzehnten wissenschaftlich mit dem Verhältnis von Mensch und Tier. Er leitet das Institut für Theologische Zoologie in Münster und weiß:
„Tiere sind für viele Menschen heute Familienmitglieder: Menschen und Tiere bilden eine Lebensgemeinschaft, in der die Tiere eine besondere Rolle einnehmen.“ Nach dem Tod sollten sie nicht einfach entsorgt, sondern angemessen bestattet werden.
Tierbestatterin Ellen Weinmann ergänzt: „Und wenn diese Lebensgemeinschaft zu Ende geht, sind wir da.“ Sie beschreibt ihre Aufgabe: „Wir kommen zu den Besitzern nach Hause, dort nimmt der Familien- oder Freundeskreis Abschied von dem verstorbenen Tier.“
Die Tierbestatter kümmern sich um Kerzen, Blumen, Gedichte, Gespräche. Und um weitere Aspekte: „Auch die Beratung, wo das tote Tier bestattet wird: im Garten oder auf einem Tierfriedhof?“
Bestattungen auf See oder im Friedwald
Entscheidet sich der Besitzer für die Einäscherung, wird das tote Tier in ein Tierkrematorium gebracht und dort eingeäschert. Die Asche kehrt zum Beispiel in einer Urne zu den Besitzern zurück, die fast überall bestattet werden kann.
„Wird die Urne nicht zu Hause verwahrt beziehungsweise aufgestellt, steht eine große Auswahl vergänglicher Urnen zur Verfügung“, sagt Weinmann. Daher sind selbst Bestattungen auf See oder im Friedwald möglich.
Man könne aber auch die Asche seines Tieres in einen Diamanten pressen oder in eine Glaskugel einarbeiten lassen. Die 42-Jährige trägt die Asche zweier verstorbener Hunde, darunter Dackeldame Heidi, an einer Kette um den Hals.
Ascheperlen aus Murano Glas | schwäbische Zeitung | Seite 3 | am 21.11.2023 | Albstadt | Eine Trauerkapelle für Hunde und Katzen | Haustiere sind für viele Menschen vollwertige Sozialpartner. Nach deren Tod möchten sie würdig Abschied nehmen. Auf der Schwäbischen Alb können sie das bald in der ersten „Tierbestattungskapelle“ Deutschlands. Die Kirchen sind distanziert.
Die Asche kremierter Tiere kann auch in einen Anhänger gepresst werden. (Foto: Ludger Möllers)
In der Tierbestattungskirche kann der Abschied in größerem Rahmen stattfinden. Weinmann beschreibt: „Wir bieten an, Trauerkarten mit der Einladung zur Abschiedsfeier zu schreiben und auch einen Trauerredner zu organisieren, der im Gespräch mit den Besitzern die Lebensgeschichte des Tieres aufnimmt und dann die Trauergemeinde an die verschiedenen Stationen erinnert.“
Menschen, die ihre Tiere besitzen, sollten sich fragen: Will ich diese industrielle Verarbeitung tierischen Lebens überhaupt noch?
Rainer Hagencord
Posts in den Trauerportalen der sozialen Medien gehören zum Angebot. Der Theologe und Zoologe Hagencord nennt ein Beispiel für gelebte Tierleben, an die ein Trauerredner erinnern könnte: „Tiere nehmen eine ausgleichende Rolle ein, sie sind präsent, sie sind zugewandt, sie werten nicht. Dadurch sind sie in den vergangenen Jahrzehnten zu wichtigen Akteuren in der Therapie geworden. Denken Sie nur an Therapie mit Pferden und Delfinen.“
Über den eingangs erwähnten verstorbenen Polizeihund Atlas hätte der Redner viel berichten können. „Oder nehmen Sie das Reitpferd eines Vereins, auf dem über Jahrzehnte angehende Reiterinnen und Reiter den Reitsport erlernt haben: Wie viele Emotionen und Geschichten sind mit diesem Tier verbunden, das nun tot ist“, berichtet Weinmann aus der Praxis, „wir geben der Trauer Raum, Zeit und den gebührenden Rahmen.“
Tierfriedhöfe gehören zum Stadtbild
Es habe in den vergangenen 20 Jahren einen deutlichen Bewusstseinswandel gegeben: „Damals hat man noch über Tierfriedhöfe gelacht, heute gehören sie zum Bild in vielen Städten dazu“, ordnet Hagencord ein.
Dass nun eine Tierbestattungskirche eröffnet, hält er für die logische Entwicklung: „Der Trauerprozess ist für Menschen und Tiere gleich: Er braucht Rituale. Menschen wollen sich von ihren Begleitern verabschieden. In diesem Trauerprozess sollte die Würdigung des Tieres, das die Menschen über Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte begleitet hat, eine wichtige Rolle einnehmen. Das ist absolut angemessen.“
Der Wissenschaftler bringt einen weiteren Aspekt ein: „Mir wäre wichtig, dass das Augenmerk in diesem Prozess der Veränderung auch auf die vielen Millionen Schlachttiere gelenkt wird, die aus Tierfabriken stammen und unter unwürdigen Bedingungen leben müssen. Menschen, die ihre Tiere besitzen, sollten sich fragen: Will ich diese industrielle Verarbeitung tierischen Lebens überhaupt noch?“
Der Nerv der Gesellschaft
Ellen Weinmann hat diese Entwicklung, den Bewusstseinswandel im Umgang mit verstorbenen Haustieren, von dem Hagencord spricht, selbst erlebt und wohl auch mitgestaltet. Die gelernte Bürokauffrau und Mutter von zwei Kindern wagte vor drei Jahren mit ihrem Partner Florian Düsterwald den Schritt in die Selbstständigkeit.
Mit dem Plan, Tierbestattungen anzubieten, trafen Weinmann und Düsterwald den Nerv der Gesellschaft: Bis Anfang November dieses Jahres nahmen sie über 700 Tierbestattungen vor. Doch die derzeit genutzten Räumlichkeiten seien zu klein, um größeren Trauergesellschaften Platz zu bieten. Als vor einem knappen Jahr das aus den 1950er-Jahren stammende Kirchlein angeboten wurde, nahmen sie Kontakt zum Anbieter auf, der örtlichen evangelisch-methodistischen Gemeinde.
Pauluskirche Pfeffingen | schwäbische Zeitung | Seite 3 | am 21.11.2023 | Albstadt | Eine Trauerkapelle für Hunde und Katzen
Die ehemalige evangelisch-methodistische Pauluskirche in Albstadt in Baden-Württemberg. Hier soll es künftig Abschiedszeremonien und Trauerfeiern für tote Tiere geben. (Foto: Ramona Balm / Fotostudio Bossenmaier )
Die hatte das Gebäude aufgegeben, weil es seit Jahren leer stand und die Gemeinde ihre Gottesdienste inzwischen in einer anderen Kirche feiert. Im Sommer wurde die Kirche entwidmet, derzeit laufen die letzten Umbauarbeiten, am 2. Dezember soll die Kirche wiedereröffnet werden. 50 Anmeldungen für Tierbestattungen sind bisher eingegangen.
Weinmann beschreibt: „Die Urnen der toten Tiere sollen auf der Scheibe einer massiven, 150 Jahre alten Weißtanne aufgebahrt werden, die Tierhalter nehmen derweil auf einer echten Kirchenbank Platz.“ Wie die Feier gestaltet wird, sei individuell zu entscheiden: „Wir feiern ja keinen Gottesdienst nach festen Schemata, sondern einen Abschied, der so einzigartig ist wie das tote Tier, um das die Besucher trauern.“
Papst würdigt Tiere als Geschöpfe Gottes
Für Gottesdienste zum Abschied von Tieren haben die beiden großen Kirchen bisher noch keine eigenen Richtlinien entwickelt. Der Theologe Hagencord sieht aber eine Entwicklung, in der katholischen Kirche habe sich das Bewusstsein gewandelt:
„Wichtig ist mir ein Satz aus der Enzyklika von Papst Franziskus ,Laudato Si’: Das ewige Leben wird ein miteinander erlebtes Staunen sein, wo jedes Geschöpf in leuchtender Verklärung seinen Platz einnehmen und etwas haben wird, um es den endgültig befreiten Armen zu bringen.“
Wir betrachten unser Projekt in erster Linie als Seelsorge an den Hinterbliebenen.
Ellen Weinmann
In der modernen Theologie, so sagt Hagencord, „erleben wir die Würdigung des Tieres: Die Theologie wendet sich vom menschenzentrierten Weltbild ab, der Kreis wird um die Geschöpfe erweitert.“
Freilich gibt es erhebliche Unterschiede beim Abschied von Menschen und der Trauer um Tiere, wie die evangelische Kirche von Hessen-Nassau betont: „Wenn ein Pfarrer oder eine Pfarrerin aus der persönlichen seelsorgerlichen Verantwortung heraus ein solches Abschiedsritual für sinnvoll hält, kann er oder sie dies tun.“ Einzige Bedingung: „Das Ritual müsste sich deutlich von der Bestattung von Menschen unterscheiden.“
Unterschiede bei Abschied von Menschen und der Trauer um Tiere
Freilich gebe es erhebliche Unterschiede bei Abschied von Menschen und der Trauer um Tiere, weist Hagencord auf: „Bei einer Beerdigung von Menschen geht es um die Themen Schuld und Vergebung. Bei den Tieren dagegen muss es im Trauerprozess um die Würdigung des Tieres gehen, das die Menschen so lange begleitet hat.“
Und er holt weit aus: „Der Theologe Thomas von Aquin sagt, dass Tiere eine Unmittelbarkeit zu Gott haben. Der Mensch ist von Gott in die Freiheit gesetzt, er kann sich für Gut oder Böse entscheiden.“ Die Tiere dagegen seien von Gott unmittelbar bewegt: „Niemals können Tiere schuldig werden. Der Löwe, der Wolf oder der Fuchs: Sie werden nicht schuldig, wenn sie andere Tiere reißen und fressen, sie sind so angelegt. Diese Rolle ist ihre.“
Zurück zu Ellen Weinmann und Florian Düsterwald. Auch sie haben erfahren, dass die Akzeptanz für ihre Tierbestattungskirche bei Amtskirchen und auch Gläubigen derzeit noch fehlt. Aber sie werben um Verständnis: „Wir betrachten unser Projekt in erster Linie als Seelsorge an den Hinterbliebenen.“
Doch schon bald könnte eine Erfahrung aus Norddeutschland dem Konzept der schwäbischen Tierbestatter Rückenwind geben. Der Theologe Hagencord berichtet: „Im Ruhrgebiet gab es einen Gottesdienst, in dem der Tiere gedacht wurde, die im vergangenen Jahr verstorben waren. Nie war dort die Kirche voller. Gestandene Männer haben dort geweint, denn Tiere haben in der Gesellschaft eine völlig andere Rolle eingenommen.“
© schwäbische Zeitung 2023
INFOS: Pauluskirche der Schönhalde Tierbestattung Albstadt, Tel. 07432/982414, www.schoenhalde.de
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