FOCUS Online Tierbestattung Schönhalde Pauluskirche

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„Tiere nicht vermenschlichen“

focus.de am 07.11.2024: Weil Tierbesitzer jetzt in dieser Kirche trauern, schlagen Geistliche Alarm

Von FOCUS-online-Autorin Elisabeth Hussendörfer – © 07.11.2024

Tierbestattungs-Kirche Tierbestattung Schönhalde

Tierbestattungs-Kirche Tierbestattung Schönhalde

Donnerstag, 07.11.2021, 10:03

Im schwäbischen Albstadt hat Deutschlands erste Tierbestattungskirche eröffnet. Die Nachfrage ist riesig, die Reaktionen sind euphorisch – aber es gibt auch kritische Stimmen.

Natürlich hat Carina M. es mitbekommen, als im vergangenen Dezember in Albstadt, wo sie mit ihrer Familie lebt, Deutschlands erste Tierbestattungskirche (https://schoenhalde.de) eröffnet wurde. Die Zeitungen waren voll mit Berichten, nicht nur im Schwäbischen oder in Deutschland – weltweit!

Wegen Tierbestattung in Kirche schäumen Geistliche

Insbesondere Tierhalter reagieren erfreut bis euphorisch auf das Projekt. Doch es gibt auch andere Stimmen. Der ehemalige wissenschaftliche Referent der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) etwa, Dr. Kai Funkschmidt, hat nichts dagegen, ein totes Tier in Form eines privaten Rituals zu verabschieden, „gerade auch mit Kindern“. Problematisch findet er jedoch, daraus eine kirchliche oder auch kirchenähnliche Handlung zu machen oder auch schon, die Räumlichkeiten einer Kirche zu imitieren. „Ein Gottesdienst ist keine Theateraufführung, ist ein heiliges Geschehen“, spricht der Theologe Klartext. Kirchliche Räumlichkeiten und ihre Ausgestaltung „nachzuäffen“, das sei „respektlos“.

Für Carina M. war die evangelisch-methodistische Pauluskirche im Ort lange ein Gotteshaus wie viele andere auch. Man fuhr vorbei, registrierte das Gebäude als solches, mehr nicht. Mit der Neueröffnung im Dezember ist die ehemalige Kirche dann ein Stück mehr ins Bewusstsein der Hundebesitzerin gerückt. „Und gleichzeitig verdrängt man es, weil man sich nicht vorstellen möchte, dass man ein geliebtes Tier eines Tages gehen lassen muss.“

Schneller als erwartet, war es dann so weit. Daimon, Carinas und Michaels 13-jähriger Husky, hatte schon seit ein paar Jahren gesundheitliche Probleme. Seine Wirbelsäule hatte sich verknöchert, er war deswegen in Behandlung. Dann verschlechterte sich sein Zustand von plötzlich dramatisch, ein dreifacher Wirbelbruch. Es blieb nur, das Tier zu erlösen.

Gefrierbeutel mit der Asche

Vor einiger Zeit hatte Carina M. mitbekommen, wie der Hund einer Freundin gestorben war. Ein Tierbestatter hatte den toten Körper des Tieres in den Kofferraum geschmissen – und der Freundin dann ein paar Tage später einen Gefrierbeutel mit der Asche hingehalten. Die Freundin war zusammengebrochen. So nicht, stand für die examinierte Altenpflegerin und ihren Mann fest. Und schon gar nicht würden sie ihr totes Tier nach dem Einschläfern beim Tierarzt belassen. Carina M.weiß, was das bedeutet: Der Körper kommt in eine Tierkörperbeseitigungsanlage, landet dort mit vielen anderen im Schredder.

Der Eindruck der Webseite der Tierbestattungskirche war positiv. Ebenso das Telefonat mit der Tierbestatterin, die sagte, sie könne kommen. Zu Carina M. und Michael nach Hause, wo der leblose Daimon in eine Decke gehüllt in seinem Hundebettchen lag.

Tierbestatter-Paar nutzte Kirchen-Chance

Ellen Weimann nennt die Abholung eines Tieres einen besonderen Moment. Sie und ihr Lebensgefährte Florian Düsterwald haben ihr Unternehmen im Jahr 2020 gestartet. Zunächst empfingen sie trauernde Tierbesitzer in einem Bereich ihres Privathauses, nebenberuflich. Vor rund eineinhalb Jahren sei die Nachfrage dann so groß geworden, dass sie Tierbestattungen zum Hauptberuf machten. Erst gab es den Plan, ein Nebengebäude auf dem privaten Grundstück entsprechend umzubauen. Aber dann erfuhr das Tierbestatter-Paar, dass die nicht mehr genutzte evangelisch-methodistische Kirche im Ort zum Verkauf stand. „Das war die Gelegenheit“, sagt Ellen Weinmann.

Seit 2020 haben die 43-Jährige und ihr Partner mehr als 2000 Tiere bestattet. Vor allem Katzen und Hunde, aber auch andere Kleintiere und sogar Pferde. „Wie wir mit dem Tod eines Menschen umgehen, haben wir gelernt“, sagt Weinmann. Beim Tod eines geliebten Tieres dagegen seien viele noch immer völlig überfordert. „Dabei helfen Rituale auch hier.“

Carina und Michael M. mit ihren beiden Hunden - der Husky ist verstorben - Herzenssache Pfotografie

Carina und Michael M. mit ihren beiden Hunden – der Husky ist verstorben – Herzenssache Pfotografie

Carina M.erzählt, wie die Tierbestatterin mit einer Rose in der Hand gekommen sei und sich mit Daimon viel Zeit genommen habe. Sie habe sich neben ihn gekniet, ihn gestreichelt, habe wissen wollen, „was für einer er war“.
Carina M.und ihr Mann erinnerten sich. Daimon, der manchmal zu „singen“ schien, wenn er jaulte. Daimon, der auf diese Art einmal einen Polizeieinsatz ausgelöst hatte, als er allein zu Hause geblieben war. Daimon, der ein anderes Mal unter einem Bauzaun durchgekrochen war, dann eine Absperrung umwarf und schließlich über frischen Estrich lief. Daimon, die Persönlichkeit. Es flossen viele Tränen, bevor das Tier auf einer speziellen Tiertrage ins Bestatterauto befördert wurde. Aber es wurde auch viel gelacht.

„Wir sollten Tiere nicht vermenschlichen“

Der weitere Ablauf war genau besprochen worden, dass half beim Loslassen. Carina M. weiß: Daimon blieb ein bis zwei Tage in einem Kühlraum, einem Nebenraum der Kirche, bevor er zur Einäscherung gebracht wurde. Noch bevor die Asche zurückkam, konnten Carina M.und ihr Mann sich vor Ort eine Urne aussuchen. Zum ersten Mal blieb es nun nicht beim „Vorbeifahren“ – die Auswahl fand in einem Vorraum statt. Im Hauptraum war gerade jemand dabei, sich von seinem toten Tier zu verabschieden, daher war da zunächst nur diese Ahnung. Aber schon die habe ihre Erwartungen bei weitem übertroffen, sagt Carina. Warm, schön, liebevoll – so beschreibt sie die Atmosphäre.

Ellen Weinmann kann die Kritik von Kirchenvertretern nicht verstehen. „Wir sollten Tiere nicht vermenschlichen“ – so hat beispielsweise der Freiburger Erzbischof Stefan Burger auf die Eröffnung der Tierbestattungskirche reagiert. Ein eigener katholischer Trauerritus für Haustiere sei für ihn undenkbar, so der Geistliche. Mit Religion hätte ihr Angebot erstmal nichts zu tun, entgegnet Weinmann, die die Bestattungen „höchst emotional“ und ihren Ablauf „individuell verschieden“ nennt. „Es geht darum, einen schönen, würdevollen Rahmen für den Abschied zu haben.“ Wenn die persönliche Verabschiedung religiös gewünscht sei, stünde man dem nicht entgegen.

Carina M. sagt: „Zu keinem Zeitpunkt wurde uns irgendwas aufgedrängt.“ Sie wussten: Eine Abschiedszeremonie mit Reden, Gesang und Gemeinde sind in der Tierbestattungskirche möglich. Sie wussten auch: Auf Wunsch kann eine Trauerrednerin hinzugeholt werden. „Wir wollten das lieber für uns machen“, meint Carina M.und berichtet, wie sie und ihr Mann schließlich den Hauptraum der Kirche betraten. In vielem erinnert der an andere Gotteshäuser. Es gibt einen Altar, links und rechts davon stehen zwei monumental wirkende Kerzen, ein Stück weiter befindet sich eine Kanzel.

“Berührend“ und „der Situation angemessen“

Es lief gedämpfte Musik und durch die im Original belassenen Kirchenfenster fiel weiches, helles Licht, erinnert sich Carina. Auf dem Altar stand die Urne mit Daimons Asche, dazu dezenter Blumenschmuck. An einen „Lebensbaum“ konnte das Paar ein Schildchen aus Holz mit dem Namen ihres Hundes hängen – zu den vielen Schildern, die bereits dort hingen. Carina M. beschreibt den Moment als „berührend“ und „der Situation angemessen“. Daimon sei ein „Familienmitglied“ gewesen und als ein solches sei er verabschiedet worden.

Kai Funkschmidt erhebt an der Stelle Einspruch. Die den Tierbeerdigungen zugrunde liegende Philosophie drohe, den fundamentalen Unterschied zwischen Tier und Mensch zu vermischen, so der Theologe. „Warum beerdigen wir Menschen?“, fragt er und liefert sogleich die Antwort. Zentral sei „der Blick Gottes auf das Gelungene und das Misslungene im Leben, auf die Liebe und die Schuld“. Tiere aber hätten keine Schuld und bräuchten deshalb auch keine Gnade. Funkschmidt meint: „Wenn wir hier Grenzen aufheben, kommt vieles ins Rutschen.“ Wenn man den Hund beerdige wie die Oma – warum dann nicht auch diese am Ende „von ihrem Leiden erlösen“ wie jenen? Wer Haustiere beerdige, müsse sich zudem fragen lassen, warum er sie nicht auch taufe.

Gut 500 Euro haben Carina M. und Michael für die Einäscherung und die Urne ausgegeben. Für das Paar war es das Geld auf jeden Fall wert. Die Urne mit Daimons Asche steht jetzt im Wohnzimmer der Familie. Nicht nur an das Leben des Huskys erinnert sich das Paar heute gerne – sondern auch an seinen Abschied. Denn der hätte diesem Leben einen wunderbaren Rahmen gegeben.

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INFOS: Pauluskirche der Schönhalde Tierbestattung Albstadt, Tel. 07432/982414, www.schoenhalde.de


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Quelle: FOCUS Online | 07.11.2024

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