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26. Mai 2024Palliativ-Tierärztin aus VS-Weigheim
Zu ihr kommen die Menschen, wenn ihre Tiere gehen müssen
Marina Schölzel 27.04.2024 – 10:00 Uhr
Irgendwann ist es auch für unsere geliebten Vierbeiner soweit und sie müssen „über die Regenbrücke gehen“ oder, zu Deutsch gesagt, sterben. Um das Leid für Tier und Mensch möglichst gering zu halten, gibt es Leute wie sie: Palliativ-Tierärztin Enrica Steden steht Haustierbesitzern mit Rat und Tat zur Seite, wenn das Leben ihrer Tiere zu Ende geht. Auf was es dabei wirklich ankommt, erklärt sie der Redaktion.
Es ist der Preis, den man als Tierbesitzer zahlt, wenn man sich einen pelzigen Mitbewohner ins Haus holt. Die geliebten Haustiere werden alt oder krank und sterben entweder eines natürlichen Todes oder müssen von einem Tierarzt erlöst werden.
Keine schöne Vorstellung – doch leider unumgänglich, da kaum ein Haustier so alt wird wie man selbst.
Doch wie verläuft der Prozess des Sterbens bei Tieren? Wie geht man mit Trauer um? Und wann ist es Zeit, eine Entscheidung zu treffen und das Leben des Tieres zu beenden? Auf diese Fragen hat sich Tierärztin Enrica Steden aus Weigheim spezialisiert und Palliavet-VS gegründet. Als mobile Palliativ-Tierärztin steht sie so Tier und Mensch zur Seite, wenn die letzten Tage des tierischen Lebens gezählt sind – und hat dabei eine ganz besondere Einstellung zum Thema Tod.
41 Jahre lang lebte sie in Berlin
2023 kehrte die aus VS stammende Enrica Steden aus Berlin zurück. Dort war sie 41 Jahre lang als Tierärztin unterwegs. Ihre Tätigkeit als mobile Tiermedizinerin begann sie 2018, im Großstadtdschungel Berlin sei das sehr gefragt, „denn wer setzt sich mit seiner Katze in die U-Bahn, um zum Tierarzt zu fahren?“, schmunzelt sie im Gespräch. Nach Einschläferungen habe sie oft die Rückmeldung bekommen, wie angenehm und toll die Situation von ihr gehandhabt wurde – die Idee für Palliavet war geboren.
Per Anruf könne man bei ihr – wie bei einem „normalen“ Tierarzt in einer Praxis – einen Termin vereinbaren. Dann fahre sie los und untersuche das Tier im vertrauten Heim, was für das Tier oftmals weniger Stress bedeute. Sollte es eine schlimme Diagnose geben, versuche sie für die Familie da zu sein, nach der Untersuchung werde Kontakt meist per Mail, WhatsApp oder Telefon aufrecht erhalten. „Ich versuche so gut es geht ein offener Raum zu sein und zu schauen, was die Leute gerade brauchen“, erklärt sie. Die Tierbesitzer stehen vor vielen Fragen: Wie viel Schmerzen hat das Tier? Wie viel Zeit bleibt ihm noch? Welche Medikamente braucht es, um die Lebensqualität zu erhalten? Wie läuft die Erlösung des Tieres ab? Diesen Prozess will sie mit Palliavet begleiten.
Mit schwierigen Entscheidungen konfrontiert
In ihrem Alltag als Tiermedizinerin stehe sie oftmals vor schwierigen Entscheidungen. „Es ist nicht immer klar, wo die Reise des Tieres hingeht“, meint sie. Eine medizinische Einschätzung gebe sie stets – „das ist ja mein Job“, wie sie sagt – doch komme es auch auf die Einstellung des Besitzers an, wann der richtige Zeitpunkt zum „gehen lassen“ ist.
„Ich schaue genau hin“, versucht sie ihren Ansatz in Worte zu fassen. „Ich versuche möglichst viele Faktoren einzubeziehen. Auch das Leid der Besitzer ist oft immens, viele projizieren ihre eigenen Ängste, Befürchtungen und Sorgen auf ihr Tier. Das muss man immer mit in Betracht ziehen und dann ist der kranke Hund vielleicht noch ein Weilchen länger da.“ Doch auch das genaue Gegenteil habe sie schon erlebt: „Manch anderem kann es gar nicht schnell genug gehen, das kranke Tier ‚loszuwerden‘, weil sie den Anblick vielleicht nicht ertragen können.“
Ihr Beruf macht etwas mit ihr
Allerdings ist ihr Beruf für die erfahrene Tierärztin auch nicht immer einfach. „Eine professionelle Distanz gibt es nicht“, sagt sie, „daran glaube ich gar nicht. Natürlich macht es etwas mit mir, wenn ich ein Tier einschläfern muss.“
Jedoch liebe sie ihren Job, denn: „Die Tiere haben es einfach verdient“, erklärt sie. Wie sie beobachte, verändere sich das Verständnis Tieren gegenüber in der Gesellschaft. Mehr und mehr nehmen sie die Rolle von Familienmitgliedern ein und diese Familienmitglieder haben es verdient, auf ihrem letzten Weg begleitet zu werden und im Kreise der Familie und in vertrauter Umgebung das Leben zu beenden.
Tipps zur Trauer kann sie keine geben
Doch welche Tipps hat die Palliativ-Tierärztin für um ihr Haustier Trauernde? „Es gibt keinen“, seufzt sie. Wichtig sei, sich dem Schmerz zu stellen und den Tod als Teil des Lebens zu akzeptieren und das auch den eigenen Kindern nahezulegen. „Kinder haben oft einen total tollen Bezug zu solchen Sachen. Da muss man nichts verstecken“, beruhigt Steden.
Das Thema Tod werde von den Menschen gern verdrängt. „Wir müssen lernen, uns uns zuzuwenden, innezuhalten und uns genau zu fragen ‚was brauche ich in dem Moment‘ . Für den einen bedeutet das vielleicht Verdrängung, ein anderer setzt sich aktiv mit dem Sterben auseinander“, meint Steden und erzählt dann: „Ich hatte bereits den Fall einer Katze, die auf dem Arm ihrer Besitzerin eingeschlafen ist – und zwei Stunden später saß die Frau mit ihrer toten Katze auf dem Arm immer noch so da und hat Abschied genommen.“ Besonders schade finde sie, dass besondere Rituale zum Abschiednehmen immer mehr verschwinden. „In einer Praxis ist das natürlich nicht möglich, aber gerade zu Hause kann man dem Tier noch schön das Bett richten, Kerzen anzünden oder Musik anmachen“, findet sie.
Tier-Asche könne man zu Schmuck verarbeiten
Doch was passiert, wenn es wirklich soweit ist und das Tier stirbt? Was macht man mit dem Leichnam, wenn es beispielsweise an einem Wochenende soweit ist? „Viele Tierkrematorien arbeiten 24 Stunden in der Woche“, meint Steden. „Und selbst wenn nicht: Wir leben nirgends, wo es regelmäßig hohe Temperaturen hat. Es ist nicht schlimm, das tote Tier zurück ins Körbchen zu legen, es mit einer Decke abzudecken und bis zum nächsten Montag zu warten“, meint die Tier-Expertin.
Als beliebteste Bestattungsmethode gilt übrigens das Einäschern – die Asche könne man so etwa auch zu Schmuck verarbeiten oder sich in einer Urne auf den Kamin stellen. In Berlin gebe es auch Tierfriedhöfe. Natürlich müsse man hier mit Kosten rechnen, manchmal sei noch ein Bestatter involviert, der das Tier abhole. In ihrer Laufbahn als Palliativ-Tierärztin habe sie schon viele berührende Momente miterleben dürfen. „Liebe kommt immer mit einem Preis“, erklärt sie.