Video: DW Euromaxx (Trailer) Deutschlands 1. Tierbestattungskirche
26. Mai 2024Bild der Frau (Tierbestattung) Adieu mein bester Freund! 01. März 2024
25. Juni 2024Alblust Magazin: Bobby’s letzte Reise Schönhalde Tierbestattung
Alblust Magazin vom GEA Verlag (Reutlinger Generalanzeiger), Ausgabe Frühling 2024
Andreas Steidel / Verena Müller © 08. März 2024
In Albstadt-Pfeffingen gibt es die erste Tierbestattungs¬Kirche in Deutschland. Das hat für Aufsehen gesorgt und selbst unter Kirchenvertretern Diskussionen ausgelöst. Ein Besuch vor Ort bei Menschen, die um ein Tier trauern, und anderen, die sie dabei liebevoll begleiten.
Bobby war der Beste. Ein struppiger Wirbelwind voller Spielfreude, treu und anhänglich, da musste einem einfach das Herz auf-gehen. Für Hansi Boss und Anni Pfister hatte der kleine Havaneser-Hund sogar eine ganz besondere Bedeutung: Er hatte sie zusammengebracht.
Der 80-Jährige und die 70-Jährige lebten seit geraumer Zeit allein und begegneten sich bei einem Hundespaziergang. Bobby rannte gleich zu Hansi hinüber und so kamen sie ins Gespräch – und schließlich zueinander. Es hatte gefunkt und Bobby war so eine Art Funkenmariechen. „Er war wie ein Kind, ein Familienmitglied“, sagen Hansi und Anni im Rückblick.
Umso härter traf es sie, als Bobby an Leberkrebs erkrankte. Am 8. September 2023 ging er für immer, ein grauenvoller Tag, an den sich beide noch gut erinnern. Sie wohnen in Bisingen am Albtrauf und hatten von einem Tierbestattungsunternehmen im Nachbarort Albstadt-Pfeffingen gehört.
Dort fuhren sie nun hin, traurig, verzweifelt und mit einem toten Hund auf dem Schoß. Bobby sollte eine würdige Beisetzung bekommen. Noch heute sind sie tief berührt von dem Moment, als Ellen Weinmann ihnen die Tür öffnete. Da war ein Mensch, der sie verstand, der mit ihnen ein richtiges Seelsorgegespräch führte und all ihre Trauer ernst nahm. „Das ist bei einem Tier nicht selbstverständlich“, sagen sie, „manche können das überhaupt nicht verstehen.“
Würdiger Abschied ist so wichtig
Ellen Weinmann bettete ihren Bobby auf ein Kissen, legte ihm eine Rose zwischen die Pfoten und besprach das weitere Vorgehen: der Weg ins Krematorium, die Rückkehr der Urne, die Abschiedszeremonie. Geduldig lauschte sie einem Lied, das der Musiker Hansi Boss für Bobby geschrieben hatte: „Das war bewegend“, sagt Ellen, „es ist so wichtig, dass auch Tiere einen würdigen Abschied bekommen.“
Erinnerungsbaum mit Pferd, Hund und Katze über dem Altar: Die Pauluskirche gehörte einst den Methodisten, jetzt dient sie als spiritueller Ort für Menschen, die ein Tier verloren haben.Ende 2020 hatte Ellen Weinmann (42) mit ihrem Lebenspartner Florian Düsterwald (47) das Tierbestattungsunternehmen Schönhalde gegründet. Sie beide mochten schon immer Tiere, haben zu Hause „einen halben Zoo“, wie sie sagen. Die Beisetzung eines großen Hundes vor Jahren hatten sie als äußerst kompliziert erlebt.
Eine Kirche fürs Tierbestattungsunternehmen: Ellen Weinmann und Florian Düsterwald (oben) haben das alte Gotteshaus gekauft. Trauernde wie Hansi Boss und Anni Pfister (unten) fühlen sich dort gut aufgehoben.
So kam ihnen die Idee, an ihrem Wohnort Albstadt-Pfeffingen selbst aktiv zu werden. „Nebenberuflich natürlich“, wie sie betonen, denn das, was dann passierte, hatten sie nicht im mindesten erwartet. Binnen kurzem schoss die Zahl der Anfragen in die Höhe. Aus ein paar Dutzend wurden Hunderte, die Zahl der Beisetzungen erreichte 2023 fast schon die Tausendergrenze. Ganz offenbar ein immenser Bedarf, selbst im ländlichen Raum.
Methodisten
Die Evangelisch-methodistische
Kirche (EmK) ist eine Freikirche, die ursprünglich aus England stammt. Die Verbindungen zur Evangelischen Landeskirche sind eng, in Württemberg gibt es heute noch viele Methodisten. Auch ihre Zahl ist rückläufig, sodass Kirchen geschlossen und verkauft werden müssen. Die Methodisten aus Albstadt-Pfeffingen feiern jetzt ihre Gottesdienste in der Kirche in Albstadt-Ebingen. www.emk.de
So wurde aus dem Neben- ein Haupterwerb. Schönhalde ist heute ein Unternehmen, das nicht nur seine Betreiber ernährt, sondern sogar Mitarbeiter beschäftigt. Bald wurden die Räumlichkeiten rund um das Privathaus dann auch zu klein. Man entschloss sich aus- und umzubauen.
Bundesweit in den Schlagzeilen
Das Material für die Umgestaltung eines alten Schafstalls war schon bestellt, da stießen sie im Internet auf eine Anzeige: Kirche zu verkaufen. Wenige Schritte von ihrem Haus in Pfeffingen entfernt stand das alte Gotteshaus der Methodisten auf der Liste der veräußerbaren Immobilien. „Das war eine Fügung“, sagen sie, „so ein Angebot bekommt man nicht zweimal.“ Es war auch jener Moment, der sie bundesweit in die Schlagzeilen brachte. Auch das hatten sie zunächst nicht geahnt. Denn Tierbestattungsunternehmen gibt es zwischenzeitlich viele, keines jedoch hält seine Trauerfeiern in einem Kirchengebäude ab.
Bei den Methodisten stießen sie mit ihrer Idee auf offene Ohren. Zwar hatte es ein Weilchen gedauert, bis der Verkauf der Pauluskirche dort durch alle Gremien war, aber der Pastor der Gemeinde begrüßte die Nachnutzung mit äußerstem Wohlwollen. So lud er die beiden im Juli 2023 zum letzten Gottesdienst ein, bei dem die Kirche entwidmet wurde. Er wiederum wohnte auch der Eröffnung der Tierbestattungskirche im Dezember 2023 bei. „Das hat uns sehr gefreut“, sagen Ellen Weinmann und Florian Düsterwald. Es dauerte nicht lange, bis ein kirchliches Statement der ganz anderen Art die Runde machte. Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger erklärte auf Nachfrage, dass er sich einen katholischen Beisetzungsritus für Haustiere nicht vorstellen könne. Man dürfe Tiere nicht vermenschlichen, meinte der Leiter der badischen Diözese.
Seither kreuzen auf diesem Feld selbst Geistliche die Klingen. So meldete sich ein junger katholischer Theologe aus Köln namens Peter Otten zu Wort, der dem Bischof widersprach. Man müsse Menschen zur Seite stehen, ganz egal, warum sie trauern, meinte der Pastoralreferent, der selbst Hundebesitzer ist. Als „ein großes Experimentierfeld“ bezeichnete er das Thema und erhielt Schützenhilfe von dem Münchner Pfarrer Rainer Maria Schießler, der es ausdrücklich begrüßte, wenn in profanierten Kirchen Trauerfeiern für Tiere stattfinden. Es gebe schließlich unangemessenere Nachfolgeideen.
Florian Düsterwald und Ellen Weinmann betrachten den Medienhype derweil mit neugierigem Staunen. Der war bei ihnen, die Nachrichtenagentur dpa, die Bildzeitung, Fernsehsender in Spanien, Südamerika und Russland berichteten über ihr Unternehmen. Vor Kurzem hatte Ellen Weinmann sogar einen Auftritt in der „Sendung mit der Maus“, wo sie Kinder erklären musste, wie eine Beisetzung für Haustiere abläuft. „Das war toll“, erinnert sie sich.
40 Gäste bei einer Pferdebestattung
Ganz dezent haben sie den ehemaligen Kirchenraum der Methodisten umgestaltet. Den Teppich durch einen Holzboden ersetzt, das Kreuz durch ein Kunstwerk, das einen Baum mit Pferd und Hund zeigt. An einem anderen Stamm baumeln die Holz-Herzchen von Tausenden von Tieren. Mitten im Kirchensaal steht ein Erinnerungsbaum, der die Namen fast aller verstorbenen Lieblinge trägt: Missy, Lucky, Bosko, Roland oder Caruso.
Die Kirchenfenster und der Altar jedoch blieben erhalten. Auch die Kanzel für den Prediger steht noch am selben Platz. Sie kann wie der gesamte Raum für Trauerfeiern genutzt werden. „Nun haben wir endlich Platz“, sagen Florian Düsterwald und Ellen Weinmann. Bei der Gedenkstunde für ein Pferd kam unlängst fast der gesamte Reitstall, rund 40 Leute, die künftig in einem großen spirituellen Raum Abschied nehmen können.
Sogar eine Trauerrednerin ist beim Unternehmen Schönhalde beschäftigt. Sonja Westermann kann für die Tierbestattungsfeiern gebucht werden und bereitet sich entsprechend vor. Zumeist finden diese an der Urne statt, nach der Kremierung, wie es im Fachjargon heißt. Ganz nach den Wünschen und Bedürfnissen der Angehörigen.
Iris Funkler (56) und Ralf Sommer (53) haben bereits von drei ihrer Katzen in der Schönhalde Abschied genommen. Sie selbst sind überaus angetan von der menschlichen und familiären Art, mit der sie dort empfangen wurden.
„Eine tolle Empathie“, sagen sie, „das war für uns so wichtig.“ Besonders Ralf hat gelitten, als er sich von seiner Katze Amy verabschieden musste. Sie hat ihn durch eine Zeit schwerer Krankheit begleitet, war seine Muse und See1entrösterin. „Als sie starb, brach eine Welt für mich zusammen“, sagt er. So taten ihm die Gespräche gut und dass man ihn in seiner Trauer ernst genommen hat.
„Tiere sind so ehrlich, ohne Berechnung, manchmal die besseren Menschen“, meint Iris Funkler mit einem Lächeln. Sie sitzen am großen Holztisch der Tierbestattungskirche und schwärmen von dem Raum mit seiner spirituellen Atmosphäre. Das Beson- dere dabei ist: Iris Funkler und Ralf Sommer gehören selbst einer methodistischen Gemeinde an, eben jener Konfession, der die 1955 erbaute Kirche bis vor Kurzem gehörte. Von der Nachfolgenutzung sind sie begeistert:
„Gigantisch, dass es so etwas gibt, die Tiere gehören einfach zur Schöpfung dazu.“
Seelsorgerische Gespräche: Ellen Weinmann (links) mit Ralf Sommer und Iris Funkler. Auf Wunsch gibt es eine Urne und für jedes tote Tier ein Namensherzchen.
Gemeinsames Grab für Mensch und Tier
So ist es auch ihr Wunsch, dass künftig gerneinsame Bestattungen von Mensch und Tier möglich sind. Das geht bisher nur in wenigen Friedwäldern. Ein Grund übrigens, warum sich immer öfter Tierhalter entscheiden, ihr Haustier nach dem Tod einäschern zu lassen: Die Urne kann mit nach Hause genommen und gegebenenfalls bei der eigenen Bestattung mit beigesetzt werden.
Die Zahl der Tierurnen ist inzwischen groß. Auf einer Regalwand im hinteren Bereich der Kirche stehen Musterexemplare: Für Kleintiere, Hunde, Katzen, Papageien, selbst Pferdehalter gehören immer wieder zu den Kunden: „Da werden oft nur Teile der Asche bei- gesetzt, weil es so viel ist“, sagt Ellen Weinmann.
Es ist Sache der Angehörigen, welche Art von Trauerritus oder Beisetzung sie wählen. Viele nehmen die Urne mit nach Hause, setzen sie im Garten bei oder stellen sie in der Wohnung auf. Andere verabschieden sich in Pfeffingen ganz von ihrem Haustier: An der Pauluskirche gibt es auch ein Gemeinschaftsgrab, an dem die Asche der Tiere anonym bestattet werden kann.
Ob eine Trauerfeier weltlich oder kirchlich ist, kurz oder lang, mit oder ohne Redner stattfindet, da sind Ellen Weinmann und Florian Düsterwald vollkommen offen: „Wir sind nicht festgelegt, bei uns ist alles möglich.“ So legen sie auch Wert auf die Feststellung, dass ihre Kirche ja keine Kirche im engeren Sinne mehr ist. „Es ist ein großer spiritueller Raum, mehr nicht“, sagen sie. Die Aufregung des katholischen Bischofs halten sie deshalb auch für ein Missverständnis, weil sie hier ja niemandem religiöse Konkurrenz machen wollen.
Schönhalde
Das Tierbestattungsunternehmen Schönhalde in Albstadt-Pfeffingen hat seit Ende 2023 seinen offiziellen Sitz in der Pauluskirche in der Onstmettinger Straße 11. Für 2024 sind Tage der offenen Tür geplant, eventuell soll es auch ein Trauercafé geben.
Telefon 0 74 32/98 24 14
Mobil 0J 52/04 62 64 52
www.schoenhalde.de
Trauercafé für Tierfreunde
Was ihnen jedoch wichtig ist: Dass man die Trauer von Menschen, die ein geliebtes Tier verloren haben, endlich auch vollständig anerkennt. „Es sind für viele oft die einzigen Sozialkontakte“, sagt Ellen Weinmann. Wer sich also um die verstorbenen Tiere kümmert, kümmert sich in Wahrheit um die Menschen, die dahinterstehen.
Tierliebe und Menschenliebe, sie gehören für sie ganz eng zusammen. Hansi und Anni werden ihren Bobby jedenfalls nie vergessen. Tief bewegt zeigen sie ein Handy-Foto, das ihn herumtollend auf einer Wiese zeigt. Besonders bewegt hat sie, dass Ellen Weinmann und Florian Düsterwald sich auch nach dem Abschied um sie gekümmert haben.
Deren Idee ist es nun, in der Kirche ein regelmäßiges Trauercafé anzubieten. „Es ist einfach schön, wenn man sieht, wie die Menschen, die ein Tier verloren haben, miteinander ins Gespräch kommen“, sagen Ellen Weinmann und Florian Düsterwald. Die Tierbestattungskirche als Erinnerungsort und als ein Ort des Trostes und der Nächstenliebe. Das ist vom ursprünglichen Zweck eines Gotteshauses dann wieder gar nicht so weit entfernt.
Text: Andreas Steidel
Fotos: Verena /\Müller
Quelle: https://www.alblust.de/